Ein Ostersonntag in Heidelberg.
Das Auto darf heute nach nur einem Fahrtag pausieren, es geht heute zu Fuß durch Heidelberg…
Zum Glück regnet es nicht, auch wenn der Himmel grenzwertig ist, aber dafür will es so kalt bleiben, dass es angeraten ist, sich zu bewegen. Das tun wir auch zur Genüge. Durch ein Viertel mit vielen wunderschönen Jugendstilhäusern nähern wir uns der Altstadt, die wir allerdings nicht betreten. Stattdessen gehen wir über den Neckar und nehmen dann den Philosophenweg, der durch Wälder und Parkanlagen auf der anderen Seite der Altstadt führt.
Zunächst geht es steil bergan, dann halten wir die Höhe am Hang. Zunächst bin ich baff erstaunt über all die vielen in- und ausländischen Touristen, die hier lang laufen. Später dann wird klar, warum. Man hat wundervolle Blicke hinüber auf die Altstadt, die fast wie aus einem Guss wirkt, wenige, zumeist kleinere Bausünden stören den Modellbahn-Stadtanblick nicht wirklich. Das ist Idylle pur und ein Fest für die Augen. Ich hatte davon bislang keinerlei Vorstellungen, was mich erwarten würde. Umso erfreuter bin ich jetzt.
Ich halte vielleicht doch zu wenig in den alten Bundesländern an, fast immer lasse ich mich mitreißen von der Hektik auf den deutschen Autobahnen. dabei warten viele Perlen nur darauf, gefischt zu werden…
Die Juliane hat sich da eindeutig verbessert, als sie von Berlin hier her zog. Bekommt man das noch mit, wenn man längere Zeit hier lebt? Sie sicher, denn sie hat sich akribisch vorbereitet, mir die perfekte Entdeckungstour zu präsentieren. Das ist genau so durchdacht, wie Ihre Wein-und Speisenkombinatioen und Kreationen. Ich möchte immer wieder verweilen, jeden Blick aufsaugen, die Bilder genießen… Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, zunächst geht es bergab und dann über die Alte Brücke, die mit Sandsteinfiguren und Türmen prächtig geschmückt ist.
Hier merken wir, dass Ostern ist, denn eine Gruppe missionarisch demonstrierender Christen spaziert singend immer wieder auf der Brücke hin und her. Wir verlieren uns dann in den Gassen der pittoresken Altstadt, schauen uns die alten Bürgerhäuser an, die schon vom Reichtum vor 400, 500 Jahren künden. Ich wundere mich über die Hauptkirche mit ihren kleinen Läden außendran, in denen man nicht nur christliche Andenken und allerlei Kitsch kaufen kann, sondern auch Crêpes, Eis, Getränke… Während Juliane nicht so begeistert vom Inneren der Kirche ist, gefällt sie mir von der Architektur her sehr.
Während wir bei einer kleinen Pause am Kornmarkt Kaffee und Schorle trinken und sich die Füße ausruhen, staune ich immer mehr über die Massen von Touristen, obwohl mir Juliane versichert, es wären heute noch wenig. Da hat man in Wittenberg dieses Jahr Angst vom Kollabieren durch eventuell kommende Touristenströme, Heidelberg scheint damit 365 Tage im Jahr umgehen zu müssen… Kein Wunder auch, dass es dann der Stadt hier so gut geht. Wenn Geld her kommt, bleibt Geld kleben, es sei denn, es gibt keine überzeugenden Angebote.
Angebote gibt es hier mehr als genug. Wir steigen hinauf zur eindrucksvollen Schloßruine, später dann an Studentenhäusern wieder hinab zum ehemaligen Gefängnis und noch einmal verlieren wir uns in den Gassen der Altstadt. Dann stellen wir fest “Hunger und Weindurst…” Wir nehmen Kurs auf Julianes Wohnung, in der Spargel und 7 Prioratweine warten.
Dazu noch ein Weißburgunder aus 2012, der in Milchkannen vergoren wurde. Juliane war skeptisch, ob der Wein noch trinkbar sei, ich versuchte sie zu beruhigen – 5 Jahre?! Hallo… Kein Alter. Er war dann auch sehr gut als Erfrischung zwischen den Roten zu trinken. Aufgeschrieben aber habe ich nur zu den Prioratweinen was – und das bekommt ihr im Anschluß an dieses Posting zu lesen. Auch später habe ich mir den Luxus erlaubt, die anderen “Urlaubsweine” nur zu genießen…
Die Prioratweine aus 2008, inzwischen 4 Tage offen, haben sich zum Teil weiter entwickelt und geöffnet, zum Teil blieben sie auf ihrem unerwartet hohen Niveau. Da hatten wir schon viel Spaß und Gesprächsstoff. Juliane war am Meisten vom Cecilio Negre begeistert, auch wegen seies Preis-Genuss-Verhältnisses, als sie hörte, was der Wein gekostet hat. Mich wundert nun aber auch nicht mehr, dass unlängst jemand den Rest davon wegkaufte, so gut, wie er sich jetzt nach 9 Jahren präsentiert – wir reden hier von einem Basispriorat ohne Fassausbau… Ich habe nun nur noch 2010 und 2011, aber vom 2010er auch schon nur noch überschaubare Reste…
Aber auch bei den teureren Weinen leuchteten Julianes Augen, nur beim Artigas weniger – aber da waren wir uns beide einig – schon ein hohes Niveau, aber doch etwas zu fett… und das bei einem 2008er.
Als wir dann den Tag beendeten, war mir eigentlich schon klar, ganz so zeitig will ich morgen nicht los. Jetzt hab ich eh vom Hetz- auf Urlaubsmodus umgestellt.
Und ja – in Heidelberg kann man sein Herz verlieren. Da ist schon Disziplin nötig, es wieder mitzunehmen…