Wie halten wir es mit den Süßen, fragt uns Stefan Schwytz vom Baccantus-Blog, nach der Rallye # 107, die ja schon mal das Thema Vorurteile hatte….
Er lädt zur Süßweinrallye ein und wird diese auch zusammen fassen… diese Zusammenfassung wiederum werde ich dann nachträglich auch hier am Ende des Posts verlinken.
Nein – Vorurteile habe ich hier keine. Ich hab nichts gegen Süßweine, weder im Keller noch im Glas.
Die süße Lust hatte mich bereits 1985 in Ungarn mit meinem ersten richtigen Tokayer ergriffen und nach der Wende in Frankreich und Spanien lernte ich diverse Stile zu mögen, manche auch zu bevorzugen. Auch deutsche “Hochprädikate” durften immer mal sein. Oder Port und Moscatel…
Ich muß nicht jede Woche einen Süßwein köpfen, wer mich näher kennt, weiß, dass ich eher der Dessertmuffel bin und Süßigkeiten regelmäßig schlecht werden, wenn mir jemand welche schenkt. Freiwillig süßes Naschwerk kaufen geht nicht bei mir.
Gern mal ein Stück Obstkuchen, wenn das Obst den Teig dominiert. Gern mal ein schönes Kugeleis, für das Eis von meiner Lieblingseisdiele fahre ich sogar etwa 2000 km – bis ins Priorat… (da freu ich mich schon wieder drauf, auch weil man mich in der Eisdiele von Falset ebenso gut kennt wie in den Weinkellern… – vielleicht gibt es ja mal ein Carignan – Eis? Grenache gabs ja schon mal in einem Jahr…)
Ansonsten eben die flüssigen Desserts… – wo wir beim Thema wären.
Festgelegt bin ich dabei nicht, solang es weder Bonbonwasser noch zähfließender Honig ist. Bissel Körper sollte die Süße schon mitbringen… – aber auch eine sportliche Säure als Gegenpol darf gern sein, damit es mir richtig Spaß macht, wenn mich der Süßjieper befällt. Aber sonst dürft ihr alles mit mir machen, wenn es meine qualitativen Ansprüche erfüllt. Sogar zu einer guten restsüßen Moselspätlese sage ich nicht nein, vor allem nicht, wenn Christoffel Jr. drauf steht. Gern auch Auslese bis Eiswein, Vendange Tardive bis Vin de Liqueur a la Macvin du Jura, Cartagéne und Co. Die genialen Vin Doux Naturels nicht zu vergessen. Auch die Vins de Paille aus dem Jura haben mich in ihren Bann gezogen und schrägen Sachen bin ich nicht abgeneigt. Da darf es auch mal ein Rosé d´Anjou sein, oder auch was Schäumendes wie eine Blanquette Ancestrale de Limoux. Sogar bei einem Winzer in der Champagne hatte ich mal angehalten, weil der Guide Hachette dort einen süßen Champagner zum Coup de Coeur erhoben hatte. Ihr seht schon, ich bin hier wenig festgelegt, sondern auf Vielfalt und Abwechslung aus. Mitunter sind das die “Belobigungen”, die man sich selbst ab und an mal gönnen muss, grad wenn das Leben zu sauer oder zu bitter ist, dann kann was Süßes helfen. Entsprechend gibt es die meisten Süßweine bei mir als Solisten. Mitunter auch eher glasweise als Flaschenweise, aber mitunter geht es mir wie allen Naschkatzen und Naschkatern.. Wenn sich jemand einen Vorrat von einem Dutzend süßer Schokoosterhasen weglegt, überleben die es nicht lange, wenn die sich nicht vorm Süßmaul verstecken. Und genau so schleiche ich öfter zum Kühlschrank, wenn ich weiß, da steht was angebrochenes Süßes drin… Die süße Lust wird zur Last, zum Laster, zur Sucht…
Eigentlich sollten anläßlich der Rallye drei süße Schätze von Mas Jullien aus dem Languedoc dran glauben, in der Zeit, als ich dort Jahr für Jahr meine Zuteilungen bekam, durfte ich auch immer 3 Flaschen vom edelsüßen Clairette Beudelle erwerben, wenn es diesen gab. Dieses Anrecht verfallen zu lassen, wäre Todünde gewesen… Und so haben sich im Laufe der Zeit jeweils meine letzten Flaschen von 1995, 1996 und 2000 im Trinkregal aneinander gekuschelt und mir wurde klar, die sind jetzt unzertrennlich. Aber so was trinkt man auch nur mit guten Freunden, die das Außergewöhnliche zu schätzen wissen Aber der gute Freund, mit dem ich die Flaschen dieser Tage gern geteilt hätte, hatte leider einen Wildunfall und hat andere Sorgen als mit mir diese Weine jetzt zu vernaschen, er hätte auch vermutlich den Kopf dafür nicht frei gehabt…
Ein leicht abgehangener Rivesaltes aus 1974 läge auch noch im Trinkregal, aber auch der soll mit jemand Bestimmten getrunken werden, der 1974 geboren ist, aber weit weg lebt. Zu weit, um eben mal fix für einen Weinrallyebeitrag angesaust zu kommen…
Portwein – nö nicht an Tagen wie heute mit Kurze – Hosen – Wetter, ein Grahams aus 1985 hatte sich zwar gemeldet, aber ich hab gezaudert und stattdessen eine ominöse längliche Flasche hervorgezogen, von der ich schon gar nicht mehr wußte, dass ich die noch hab. Eine Rarität, von der nur so wenige Fläschchen gefüllt werden konnten, dass es das Drucken eines Etikettes gar nicht gelohnt hätte. Also wurden die Flaschen handschriftlich “beschriftet”, was man aber inzwischen leider nicht mehr ganz so gut lesen kann…
Gucken wir mal, was mich und Euch jetzt hier erwartet, ein Heimatwein, denn das Gute kann auch naheliegend sein.
Harzer Weingut Kirmann; Traminer Beerenauslese vom Westerhäuser Königstein; (Saale – Unstrut) Nördliches Harzvorland; 2001 weiß – süß;
Das Leuchten eines Abendrothimmels ist im Glas eingefangen, sehr dunkles Braunorangegelb… Trockenaprikosen, Rosinen, Quitte, eine leichte Honignote, Baumharz, blonder Tabak, bittere Orangenmarmelade. Der frische Wind an der Nase entpuppt sich am Gaumen als mineralischer frischer Gegenpol, so dass der Wein ungemein trinkig wird und er ist ähnlich, wie ich das bei Süßweinen aus Südwestfrankreich oft schätze. Kein Kandidat für plumpe Süße, sondern ein harmonischer Wein mit Trinkfluß und somit für mich mit Suchtpotential. Dieses wird noch verstärkt durch den ultralangen intensiven Nachhall. Erotisches Knistern am Gaumen… Das will ganz lange und intensiv geschlürft werden. Wow!
Alles richtig gemacht mit diser Flasche, die eines Beitrages und einer besonderen Erwähnung würdig ist. Matthias Kirmann kann ohnehin Traminer richtig gut, was er in vielen Jahren beweist, oft mag ich den Traminer unter seinen Weißen am Liebsten. Aber er kann auch edelsüß. Auch das hat er mit Traminer schon desöfteren bewiesen. Stilistisch ist er schon eher französisch unterwegs, wofür auch die 13,5° sprechen. Der Wein hat Körper und Sexappeal, er erzeugt Emotionen und weckt Sehnsüchte. Genau meins. Als 2001er genau richtig in seiner Reife. Die Flaschenzahl der 0,375 l Flaschen war glaub ich noch zweistellig, um die 80 Flaschen vielleicht, wer die Chance hatte, davon eine zu ergattern damals wird meine Begeisterung vielleicht teilen können.
Ein unbestreitbar großer Süßwein und mit zum Besten gehörend, was ich bisher so von ihm getrunken habe, am Gaumen deutlich besser als in der etwas verhaltenen Nase, weswegen ich auch nur 96/100 gebe. Mit richtig offener Nase wären auch 98/100 drin gewesen. Aber vielleicht entwickelt sich da mit Luft noch was… Ich werd sicher noch öfter zum Kühlschrank pilgern, nachdem ich euch den Artikel hier zum Lesen gegeben habe. Das ist der Stoff, für den man unvernünftig wird…
Blind aber würde hier wohl NIEMAND auf nördliches Harzvorland tippen. Auch ich sicher nicht, hätte ich so was nicht schon öfter kennenlernen dürfen.
Danke Matthias für diesen Moment mit wahrhafter Winzerkunst! Und danke Stefan für die Idee zu dieser Rallye.
PS: Mit Süßweinen aus dem Priorat verschone ich Euch heute. Wer aber dieser Tage meinen neuen Gesamtkatalog zum Herunterladen bekommt, der findet auch dazu etwas. Einen roten und einen weißen Süßwein, aber so was kaufen eh nur eingefleischte Hardcoreprioratfreaks.