Weinrallye… Klappe – die 100ste…
Oft totgesagt, immer wieder aufgestanden wie ein Phönix aus der Asche. Was für eine gute Idee, die da dereinst geboren wurde. Viele schreiben zu einem Thema, man vernetzt sich. Die Bloggerszene tauscht sich aus, Foristen und Facebooker stoßen dazu, sie alle eint die Liebe zum Wein…
Gäbe es so etwas wie die Weinrallye noch nicht, man müßte sie erfinden. Aber lange schon gibt es sie, wir müssen ihr nur von Zeit zu Zeit immer mal wieder neues Leben einhauchen.
Ich bin kein regelmäßiger Teilnehmer an der Weinrallye, manchmal passt es von der Zeit her nicht, manchmal ist das Thema zu eingegrenzt und weit weg von „meiner Weinwelt“ Manchmal sag ich mir: Da machst du unbedingt mit und dann ist zu viel zu tun, oder die Worte laufen nicht aus der Feder. Ab und an hab ich mich aber auch schon verpflichtet, eine Rallye auszurichten.
Immer aber, wenn ich dabei war, habe ich es nicht bereut – im Gegenteil. Und mitunter geht es noch einen Schritt weiter, man trifft sich im realen Leben mit realen Gläsern und Flaschen, Freundschaften entstehen. Dann geht es wirklich ans Vernetzen. Die Weinrallye stößt an, sich auch mal abseits der Weinrallye zu treffen, auf einen Chat, per Mailaustausch, mit einer gemeinsamen Flasche oder eben auch in echt. Und genau das ist es, was mich reizt, immer wieder mal mit dabei zu sein.
Schöne Themen gab es viele, Anregungen auf Vertiefung, das Übernehmen einer so tollen Idee wie zum Beispiel das „Wein trinken an schönen Orten“ – dies war auch das Thema der Weinrallye # 79, die ebenfalls von Thomas Lippert moderiert wurde. Er hatte die Weinrallye „erfunden“ und hat jetzt auch die Ehre, die 100.ste Ausgabe zu moderieren.
Die 100 – ein stolzes Alter, aber keine Vergreisungserscheinungen… Wie aber was Besonderes daraus machen?
Juliane Gassert schlägt vor, gemeinsam zu schreiben, auch gemeinsam zu trinken… Jeder an seinem Ort, aber das Gleiche? Vielleicht jeder an einem schönen Ort? Natürlich Priorat trinken, weil ich ihr da was Spannendes zusammenstellen kann. Sie weiß, dass mir gerade etwas mehr Aufmerksamkeit nicht schaden kann und hat kein Problem damit, dass ich auch mit Weinen handle – weil das über Wein schreiben mich nicht ernähren könnte und ich das Hobby zur Berufung und dann zum Beruf gemacht habe, weil die Grenzen zwischen dem Einen oder Anderen verschwimmen.
Und auch ich suche Weine aus von Winzern, denen ich gern mehr Aufmerksamkeit wünschen würde, aber auch bessere Verkäufe… Weine von Idealisten gemacht, die von Idealisten vertrieben und bekannt gemacht werden, damit sie von Idealisten getrunken und liebgewonnen werden…
Soweit unsere gemeinsame Idee zur Jubiläumsrallye… Vielleicht ist es ja was zum Jubilieren?
„Ich bin schon sehr gespannt auf die Weine und mich interessiert, warum du diese ausgewählt hast“, so eröffnet Juliane den Dialog.
„Weiße gibt es nicht so viele bei mir – was nicht daran liegt, dass es zu wenige gute weiße Prioratweine gibt. Sie werden nur hierzulande leider zu wenig nachgefragt. Aber der Lo Coster Blanc von Sangenis I Vaque ist bereits recht gut eingeführt bei mir. Seit dem 2006er importiere ich ihn immer wieder, so wie ich ihn bekommen kann – in den ersten Jahren gab es von diesem Wein nur um die 300 Flaschen jährlich, inzwischen ist es etwas mehr geworden. Eine klassische Cuvee aus Grenache Blanc und Macabeu, vergoren und anschließend ausgebaut im Fass. Für den Riesling-Gaumen etwas gewöhnungsbedürftig, aber wenn man es mag, dann mag man es richtig.
Ein Projekt übrigens von Maria Sangenis, der Tochter von Pere Sangenis, die als Önologin in den elterlichen Betrieb eingestiegen ist, gemeinsam mit ihrem Freund Roger Simo Garcia, den man von Vall Llach her kennt.
Mit dem Petit Clos Penat 2012 will ich dir einen Wein zeigen, der für Prioratverhältnisse nicht sehr viel kostet, aber unglaublich gut sein kann. Es gibt ihn jetzt seit 2010 und bereits der 2011er hat sich eine Fangemeinde unter meinen Kunden geschaffen. Der 2012er schließt dabei fast an den 2011er an. Wir haben hier Grenache und Syrah vereint. Der Winzer Jordi Domènech kommt aus Poboleda und nimmt teil am Kampf um den kleinsten Keller im Priorat – eine wahre Garage… Er ist noch recht jung, hat aber gleich mit seinem ersten Jahrgang 2009 aufhorchen lassen. Den 2009er Clos Penat gibt es auch bei mir, ich hatte davon die letzten Kisten sicher gestellt, nachdem ich merkte, wie gut das Zeug ist. Er unterscheidet sich vom Petit Clos Penat nur durch längeren Ausbau im Barrique und er ist ein wenig teurer, hat aber ein ebenso gutes Preis – Genuss – Verhältnis wie dieser “kleine” Wein, der aber auch schon so manchem teureren das Fürchten lehrt.
Den Pater 2010 von Ficaria Vins, 100% Grenache aus 80 bis 100 Jahre alten Reben, die in drei verschiedenen Parzellen rings um das Dorf La Figuera im Montsant wachsen, habe ich wegen des Winzers aufgenommen. Ich mag Jaume einfach sehr, nicht nur seiner tollen Weine wegen, sondern auch wegen seiner gastfreundlichen und einnehmenden freundlichen und zugleich bescheidenen Art.
Seht 2005 macht er tolle Weine, die für mich mit zum Besten im Montsant gehören. Das Montsant ist die Appellation, die sich wie ein U um das Priorat legt.Hier haben wir gleiche Trauben wie im Priorat, aber andere Böden. Während man im südlichen Teil des Montsant auch günstiger produzieren kann, weil es weniger steil und kleinteilig zugeht, sind die Bedingungen im sehr hoch gelegenen La Figuera ähnlich schwierig wie im gebirgigen Priorat. Heißt viel Handarbeit, geringste Erträge, aber auch leidenschaftliche Produkte. Pater heißt übrigens der Vater auf katalan, es ist also mitnichten ein “Messwein”… Jaume hat in den letzten Jahren viel Pech gehabt, mehrfach Hagelschlag, dann Wildschweinfraß und andere Widrigkeiten. Du siehst auf dem Rücketikett seit einigen Jahren, wie viele Flaschen er von dem Wein gemacht hat und auch, welche du gerade trinkst. Er hat leider so wenig produzieren können, dass er ums Überleben kämpft. Dabei hat er, bescheiden wie er ist, die Preise nur jedes Jahr sehr moderat angehoben, seiner Stammkundschaft zuliebe.
Ich verkaufe seine Weine seit Beginn meiner Prioratführerselektion und sie sind bereits recht beliebt. Dennoch würde ich gern noch mehr verkaufen, um mitzuhelfen, dass er überleben kann. Vor allem aber wünsche ich ihm ein paar Jahre ohne Ernteeinbußen, damit er wieder mal richtig durchatmen kann. Er hat es mit all seinem Idealismus einfach verdient, denn er ist zudem einer der großen Verfechter ökologischen Gedankengutes und er experimentiert sehr viel, wie auch seine schwefelfreien Weine aus der Amphore zeigen, die du ja auch schon kennengelernt hast.
Nun aber genug der Information. es sei denn, du hast noch Fragen. Ansonsten hab ich erst mal eine nach deinen ersten Eindrücken zu diesen Weinen…“
„…genau das habe ich gesucht. Ist immer wieder aufregend, Deine Weine von Null an zu verkosten.
Ich finde, das ist eine würdige Art der Annäherung. Ich bin gespannt auf diese Verkostungswoche,
auch wenn ich den Coster wohl eher nur 3-4 Tage probieren kann…
Petit Clos Penat 2012
Farbe: Purpur
Üppige Nase von Teer, Schwarzkirsche, Bitterschokolade, Espressopulver, Kalter Kaminrauch,
Liebstöckel, getrocknete Waldbeeren.
Am Gaumen kräftiger Auftakt von Roten Beeren, Bittermandel, abgelöst von kräftigem Tannin,
Liebstöckel, Waldbeeren, Orangenceste, noch sehr verhalten.
Im Nachhall sehr adstringent, Zartbitter, rauchig, pelzige auskleidende Tannine.
Im Rückgeruch: Liebstöckel
Die offene Nase steht im Widerspruch zum Rest der Verkostung.
Interessanterweise ist es beim Pater genau umgekehrt.
Pater 2010
Farbe: Granatrot (hell),sehr ausgeprägte Kirchenfenster.
Die Nase verstört zunächst ein wenig, da ist ein Geruch, den ich eine Weile nicht zuordnen kann, fast laktisch, irgendwie unkonventionell.
Ich habe es dann betitelt mit Gebrannten Mandeln und Butterkuchen.
In der Nase weiterhin Tabak, kalter Rauch, getrocknete Datteln
Am Gaumen kräftiger Auftakt von eingelegten Früchten (Datteln, Pflaumen),
auskleidendes Tannin gefolgt von kurzer sanfter Säure, Karamell, Trockenfrüchte, Nougat.
Im Nachhall auskleidende Tannine, insgesamt schon weich, etwas vordergründig rote Beeren (jetzt auch Heidelbeere), Tabak, Nougat Im Rückgeruch: Dörrpflaume“
Ich finde es erstaunlich, wie umfassend und präzise Juliane die Weine aromatisch beschreibt, man merkt hier, wie sehr sie vom Fach ist und was sie für eine gute Verkosterin und Weinberaterin ist.
Ich radle mit meinem Flaschen an die Elbe, genauer gesagt, an den Aussichtspunkt am Hohen Elbufer bei Griebo neben meiner Heimatstadt Coswig. Ich denke an Juliane, die nun auf einer Dachterrasse in den mallorquinischen Bergen sitzt und dieselben Weine vor sich hat.
Meine Flaschen sind dabei in der Kühltasche, außer natürlich für die Fotos von den Weinen am schönen Ort.
Man ist versucht, an diesem schönen Ort, zugleich auch ein Rastplatz am Elberadweg, eher zu trinken, als konzentriert zu verkosten, aber was muss, das muss…
Jordi Domenech; Petit Clos Penat; Priorat – Poboleda; 2012 rot;
14,5°; Grenache und Syrah, 8 Monate Ausbau in Fässern aus französischer Eiche
Tag 1: Funkelndes dunkles Purpurrot. Leicht offene dunkle Nase. Viel Kirschen, ein wenig Garrigue, dazu Schiefer und Kirschkerne am Gaumen. Insgesamt noch etwas verschlossen, aber gutes Potential zeigend. 92+/100 Th. Sehr Guter Wein.
Hier ist die Nase leicht vor dem Gaumen, aber beiderseits insgesamt präsentiert sich der Wein noch nicht völlig offen.
An den Folgetagen legt er deutlich zu, ist er offener und zugänglicher. Luft tut gut, aber das gilt genauso für die anderen beiden Weine. Beim Pater überzeugt gegenwärtig der Gaumen bereits mehr als die Nase…
Ficaria Vins; Pater, Montsant – La Figuera; 2010 rot;
14,5°; 100% Grenache aus alten Reben von Argilo Calcaire – Böden ausgewählter Parzellen in der gemarkung La Figuera; 12 Monate Ausbau in Fässern aus französischer Eiche ; Flasche N° 176 von 1.162 Gesamtauflage.
Tag 1: Kardinalsrot mit schönem Funkeln und Leuchten. Leicht offene himbeerige Nase, dazu eine eher rostige Mineralik. Sehr frisch und aromatisch. Tolle Länge. Später kommen dunklere Aromen dazu, ein Salat wilder Beeren, dazu ein Milchkaffee und karamelisierte Mandeln. Macht mit Luft auf. 94+/100 Th. Exzellenter Wein.
Hier erlebe ich in den folgenden 2 Runden einen großen Wein, genau wie beim Weißwein…
Sangenis I Vaque; Lo Coster Blanc; Priorat – Porrera; 2012 weiß;
14,5°; 457 Flaschen gesamte Auflage.
Tag 1: Dunkles Goldgelb. Offene frische Nase nach exotischer Frucht, aber auch weiße Baumblüte wie Tulpenbaum und Robinie. Am Gaumen cremig, aber zugleich auch mit weniger holzigem Charakter als bei früheren Jahrgängen. Stattdessen eine schöne Frische. Zeigt Druck am Gaumen und besitzt eine schöne Länge. Eine Fülle aromatischer Eindrücke über in Butter angebratener Haselnüsse bis hin zu einer ganz leichten Petrolnote. Sehr komplex und wandelbar. Schon jetzt sehr schön zu trinken. 94+/100 Th. Exzellenter Wein.
Vom Weißen ist Juliane hin und weg…
„Der Le Coster ist der blanke Wahnsinn!
Danke für diesen Wein.
Auch wenn ich eher eine Riesling und vor allem Weißburgunder Liebhaberin bin,
ist das Weißwein von einem andern Stern.
Mich würde interessieren
a) wie lange er im Fass war und in welchem
b) wie er schmeckt, wenn er jung ist.“
Prompt antworte ich ihr:
„Freut mich, dass du dem Lo Coster Blanc so zugetan bist.
Vergoren werden die Trauben im neuen Barrique bzw. etwas größerem Fass – 300 bzw. 400 l je nach Umfang der Ernte, französische Eiche, leicht getoastet. Nach dem Gärprozeß wird das Fass gesäubert und der Wein kommt wieder dort rein für 4 bis 8 Monate – je nach Jahrgang.
In früheren Jahrgängen war das Fass jung deutlich spürbar, inzwischen dominiert es nicht mehr so deutlich. Neben den typischen weißen Blüten (Baumblüte) kommen bei den jetzigen Jahrgängen auch fruchtige Impressionen dazu. Der 2012er zählt eigentlich noch als jung, der wird noch zulegen. Optimal wäre jetzt 2008, aber der ist wie 2007 und 2009 seit einiger Zeit komplett raus bei mir. Ich werde im Herbst den 2015er mit aufnehmen, der auch ganz jung schon sehr toll war, eine komplette Musterflasche wartet noch auf die Verkostung. „
Nun sind wir schon gegenseitig auf unsere Weinrallye-Artikel gespannt – ich dabei besonders auf Julianes Speiseempfehlungen zu den Weinen. Und diese können sich schon gut sehen lassen, ich merke, wie ich beim Lesen sogleich nicht nur Appetit bekomme – nein, es ist ein wahnsinniger Hunger…
Hier geht es per Klick zum Rallye-Beitrag von Juliane…
Und ihr, bekommt ihr auch Hunger, Durst und / oder Lust, bei zukünftigen Weinrallyes mal etwas mehr auf andere „Mitfahrer“ zuzugehen, um miteinander stärker zu werden?
Nur zu, denn genau so macht Weinrallye Spaß… Auf die nächsten 100 und mit Dank an Thomas Lippert als Initiator, aber auch an alle treuen, eifrigen und gelegentlichen Schreiber und Leser…
Die Weinrallye ist ein monatlich wiederkehrendes Blogevent, einst von Thomas Lippert “erfunden”, der heute auch die 100. Weinrallye moderiert… <– zum Blog von Thomas