Blind probieren… – das erfordert Mut und Neugier, auch Mut zur Neugier…
Nur wenige Informationen gibt es vorab, mal das Gebiet, vielleicht noch den Jahrgang dazu, mal ein mehr oder weniger eingegrenztes Thema, mal nicht mal das. Manchmal sind auch bei eng gefassten Themen Piraten unterwegs, die von ganz aus einer anderen Ecke kommen. Oder Abstandsmesser, bewußt eingesetzte schlechtere Weine, die unseren Bezug zur Realität wieder herstellen sollen, uns eichen sollen auf das Besondere…
Wein blind probieren soll unsere Sinne schärfen, unsere Aufmerksamkeit mehr erregen, unsere Konzentration fördern – die Konzentration auf das Wesentliche. Und das ist hier der Wein im Glas… Wir sind nicht abgelenkt von der netten Geschichte um den Wein herum, wir haben noch nicht die Ehrfurcht vor dem vielleicht bekannten Namen, uns wird die Scheu und die Voreingenommenheit genommen, die wir vielleicht hätten, uns auf einen Wein eines völlig unbekannten Erzeugers einzulassen.
Einzig was zählt, sind die sensorischen Eigenschaften des Weines im Glas, seine Farbe, sein Duft, sein Geschmack, seine Eigenschaften, sein Charakter. Nackt steht er dabei vor uns – in einer Blindprobe sind sie alle gleich, der Bettlerwein kann neben dem Kardinalsgetränk stehen… erkennen wir die Unterschiede? Blind sind dabei nicht die Weine, wir sind es, die wir uns im blinden Vertrauen auf Neues oder Bekanntes einlassen…
Hat der Wein im Glas uns etwas zu erzählen? Manchmal muss man ihm die Zeit geben, sich zu öffnen, vom Fremden zum Freund zu werden… Mag ich ihm zuhören, hat er Interessantes zu berichten oder nervt er nur? Oder ist er interessant, weil er auch mal nervt, fordert, nicht klein bei gibt…
Unvoreingenommenes Zuhören ist wie unvoreingenommenes Trinken… Intensiver. Macht man nicht mal einfach so nebenbei, erst recht nicht, wenn da noch einer im Hintergrung nervt, weil er wissen will, was der Wein gesagt hat. Weil er neugierig ist, zu erfahren, ob er dich ansprechen konnte, ob er dich öfter begleiten darf, gern auch mal intensiver als nur auf einen Schluck hin, gern mal ohne das Suchen nach dem passenden Wort einer Beschreibung oder dem Ringen um eine Bewertung. Einfach so – der kann kommen, weil er dir Freund geworden ist… Du wirst ihn dann vielleicht doch bewußter trinken, nicht einfach so gedankenlos deinen Durst an ihm stillen, als wäre es Wasser. Oder wirst dich ihm einfach hingeben, weil du willst, dass er dich verführt, weil du ahnst, dass er das Zeug hat, dich zu verführen. Weil du dich auf ihn eingelassen hast. Blind. Mit all deinem Vertrauen.
Natürlich reizt bei einer Blindverkostung der Vergleich – man macht es automatisch. Das Unbekannte mit dem Bekannten, das Neue mit dem Alten, sie messen sich aneinander im direkten Vergleich, aber sie messen sich auch an all deinem bisherigen Erfahrungsschatz. Sie messen sich nicht nur, sie reiben sich auch daran. Das liegt in der Natur einer Blindverkostung. Von daher können Blindproben uns auch immer demütig werden lassen…
Neun Weinfreunde sind meiner Einladung zu einer Blindprobe durch die Weinwelt des Priorats gefolgt, ich bin neugierig, was sie mir hier im Rahmen dieser Weinrallye zu berichten haben. Zu den einzelnen Weinen, aber auch zur Idee dieser etwas spezielleren Weinrallye., bei der wir uns auch gern hinterher noch weiter miteinander unterhalten wollen, statt stumm wieder unserer Wege zu gehen bis zur nächsten Weinrallye…
Ich werde hier all ihre Beiträge verlinken, wie es sich für den Gatsgeber der Weinrallye gehört.
Und ich werde auch im Weinforum meine Sicht auf die von mir blind verkosteten Weine (ich bin quai der Restetrinker) bringen, bevor ich auflöse. Aber mit meinen Notizen lasse ich bewußt den in der jeweiligen Kategorie teilnehmenden Weinfreunden den Vortritt. Und auch dann erst, wenn jeder Teilnehmer seine Notizen zum Wein gegeben hat, wird der jeweilige Wein aufgelöst. Und dann trinken wir bewußt noch mal das, was wir uns noch übrig gelassen haben und tauschen uns gern weiter dazu aus…
Einen wunderbaren Beitrag zur Weinrallye #82 gibt es aus der Schweiz vom Sammlerfreak Peter Züllig. Er erzählt uns in 6 kleinen Geschichten, was ihm die Weine geflüstert haben. Unkonventionell und einfühlsam, gleichsam Durst machend un Neugier weckend. Man möchte gern gleich auf die Reise gehen… Vielen Dank, Peter.
Birgit Lorz und Hans – Jürgen Schwarzer vom Blog “Edelste Weine” hatten wohl eher Problem- als Probenflaschen mit ihrer Basisprobe. Lag es an den (vorher gründlich ausgewaschenen) Apothekerfläschchen oder lag es an den Weinen an sich? Ich kann es nicht nachprüfen, weil diese Flaschen jeweils komplett aufgeteilt worden sind und ich davon nichts gekostet habe. Aber so aus der Kalten raus fällt es mir jetzt erst mal schwer, die ganzen Medizinaltöne nach zu vollziehen. Aber ich glaube, das man mit nur einer Dreiviertel Stunde auch den Basisweinen eventuell zu wenig Zeit und Luft gelassen hat… Mal sehen, was die Nachverkostung und die Eindrücke der Mitverkoster hier bringen… Vielleicht deutet aber auch ein mit dem Priorat nicht vertrauter Verkoster die Weine einfach ganz anders?
Dirk (NoTrollingerPlease) mit dem Genusspaket und Reinhard (cocodrillo) mit dem Spasspaket schildern in diesem Weinforumsthread ihre Schwierigkeiten, sich dem nicht einfachen Thema der Blindverkostung anzunähern, aber auch die Neugier, nun endlich wissen zu wollen, was sich in den Gläsern befand. Gut sichtbar sind auch unterschiedliche Herangehensweisen bzw. Versuchsaufbauten. Spannend wird sicher sein, auch dazu noch zu diskutieren.