Von der insgesamt 58 m langen, aber völlig harmlosen Brücke in der Via Ferrata La Grande Fistoire kann man sehr schön den Wegverlauf des “Supplement Tres Difficile” beobachten und sich schon mal mental auf das grandiose sportliche Schlußstück dieses Klettersteiges einstellen. Dieses zusätzliche Stück wurde später in den Wegverlauf aufgenommen und ist fakultativ. Wer merkt, dass er nur noch wenig Körner hat, sollte sich diese für den Rückweg aufheben und nicht in dieses spannende aber auch kraftraubende Stück einsteigen. Auch für die Moral ist es ratsam, dieses Zusatzstück nicht alleine anzugehen.
Nach kurzer und noch relativ harmloser Kletterei – mehr Querung als An- und Abstieg – erreicht man eine ca. 30 m lange Nepalbrücke.
Diese Brücke hat es bereits in sich, weil sie extrem wackelt und man viel Kraft aufwenden muß, über diese lange Distanz die Balance zu halten. Zwar gibt es aller paar Meter Ausruhstreben, aber schon beim nächsten Schritt wackelt es wieder wie zuvor. Die Verbindungsstreben bilden bei dieser Brücke kein V, welches das Wackeln etwas eingrenzen würde, sondern ein U, womit die Brücke extrem instabil wird. Man muss beim Gehen die Arme generell vom Körper seitlich wegstrecken und gegen die Halteseile drücken, um die Brücke etwas besser stabilisiert zu bekommen. Quasi aus dem U wieder ein V machen… Aber auch das kostet entsprechende Armkraft. Hier merkt man, wie lang 30 m sein können.
So oder so, die Brücke ist extrem kräftezehrend und wenn man von der Brücke runter ist, gibt es keinen Ausruhpunkt.
Sofort folgen 50 schwere Meter nach oben, überwiegend überhängend… Die Grande Muraille (Große Mauer).
Bevor ich nun auf die wacklige Pont Népalaise gehe, hier noch mal ein Blick auf die 58 m lange Passerelle – Brücke.
Mein französischer Bergkamerad nimmt mich in die Mitte und beobachtet erst mal vom Schattenplatz aus.
Seine Frau ist inzwischen in der schweren Wand.
Unbedingt ratsam sin neben den normalen Klettersteigsicherungen zwei zusätzliche Standschlingen, eine kurze für das Umklinken im langen Überhang und eine lange für den Fall der Fälle, um dem Fallen vorzubeugen, falls die Kraft doch mal zu Ende geht. Beide werden direkt in die U-Eisen eingeklinkt. Ich werde auf den 50 m regen Gebrauch davon machen.
Oben angekommen, glücklich und bis zum Anschlag mit Adrenalin voll gepumpt, muss ich sagen, es war nahe der Grenze meiner Physis. Was für ein Gefühl, zu merken, dass man auch in meinem Alter noch lebt… Du spürst das Herz an die Felswand pochen, wünscht dir irgendwo mal wieder richtig grade stehen zu können und irgendwann auch, dass es dann vorbei sein darf. Der Kopf schaltet sich reflexartig aus, an Fotos ist nicht mehr zu denken. Alle Gedanken gehen nur noch bis zum nächsten mit der langen Standsicherung erreichbaren U-Eisen. Der einzige Wunsch ist der, dass die Kraft reichen möge.
Und ganz oben hätten wir uns spontan einen Bierausschank gewünscht… Aber wir freuen uns auch über das Wasser, was wir mitgeschleppt haben…
Das Abwandern dann ist wie fliegen… – die Seilbahnen, die folgen sind Momente des Fluges…
tbc.