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Channel: Der Priorat – Hammer
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Wein mit höchsten Vorschußlorbeeren – Clos del Nit 2017 aus dem Montsant

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Nicht schlecht staunte ich dieser Tage, als ich das Werbeprospekt des Discounters „Netto“ in der Hand hielt. Als Aktionswein für den Monat Oktober bieten sie einen Wein aus dem Montsant an, bereits in dem Werbeprospekt wird vom 10. besten Wein der Top 100 Beste Weine weltweit gesprochen…

 

Da ich gemeinsam mit Dortmunder Weinfreunden blind über 25 Weinen aus 2015 sitzen wollte, machte es auch nichts mehr aus, diese Flasche als 26. dazwischen zu mogeln, als Piraten sicherlich… Immerhin ist diese Probe mit den 2015er Weinen hochkarätig genug bestückt, da lesen sich Namen wie Creu Alta oder Tirant neben raren Exoten wie Bessons Syrah, Bessons Carignan und Clos Dominic Selecció Miriam, aber auch nach unten gäbe es neben Fragezeichenweinen wie Balandra oder Giné Giné auch die zuverlässigen „Kleinen“ wie Marge oder Ferral…

Zunächst aber muss der Clos de Nit besorgt werden, ein Name, der mir bislang rein gar nichts sagt…

Aufklärung gibt dann das Rücketikett, als ich die Flasche in den Händen halte, als Erzeugername wird Cofama genannt.

Der Name Cofama Vins I Caves SL ist mir beim Recherchieren für meinen Prioratführer schon mal untergekommen, als Erzeugername für spanische Großabnehmer, wie Discounter und Consorten.

Es gab diesbezüglich bereits einmal einen „Mas d´ en Catala“ aus dem Priorat in den Jahrgängen 2002 und 2003.

Ich zitiere aus meinem Prioratführer:

„Der Erzeuger von Weinen verschiedener Anbaugebiete in Spanien hat seinen Sitz in Sabadell.
Cofama arbeitet im Prinzip wie ein Negociant. Er sucht geeignetes Traubenmaterial aus und
baut diese dann unter Mithilfe des Buil I Gine Teams in deren Keller aus, vermarktet aber
unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung.
Die ersten Jahrgänge der Mas d´en Català Weine waren 2003 bzw. 2002.
Ich hatte hier bereits ein Muster angefordert, bekam aber zur Antwort, dass man „aus
strategischen Gründen“ keinen Wein vorstellen möchte.“

Nun plötzlich halte ich den Wein aus dem Montsant in den Händen, hochwertiges Etikett, aussagekräftiges Rücketikett in englischer Sprache, dessen einzige deutsche Aussage die unabkömmliche ist, dass der Wein Sulfite enthält. Wer des Englischen mächtig ist, erhält eine Verkostungsnotiz dazu, aber keine Aussage über die verarbeiteten Traubensorten oder den Ausbau.

Der „Überzieher“ aber erklärt, was wir von der Werbung her schon wussten: Der Wein erhielt 2019 Platz 10 der Top 100 Beste Weine weltweit beim „Wine Enthusiast“…

Wenn das dann mal keine Ansage ist…

 

 

Da wir nur 26 Weine auf dem Tisch haben und das nicht weltweit, sondern nur aus dem Montsant und dem Priorat, muss der sich dann sicher ganz vorn einsortieren… Es muss ja schließlich noch Platz bleiben für den ganzen Rest der Welt von Californien bis Bordeaux!

Gekostet hat der Wein übrigens knappe 6 €, damit ist er zwar der preiswerteste Wein der gesamten Verkostung, aber auch hinsichtlich des Preis-Leistungsverhältnisses kenne ich natürlich im Montsant Konkurrenten. Rechne ich jetzt mal hoch, dass man wenigstens 6 Flaschen in jede Netto – Filiale stellen will, was nicht viel ist, so müßte es deutlich mehr als 50.000 Flaschen davon geben. (wahrscheinlich müssten es deutlich mehr sein…)

Allein 50.000 Flaschen wären bei einer Maximalauslastung von 600 Flaschen pro Palette gleich 84 Paletten, d.h. einige LKW´s von Netto mit Anhänger müßten sich auf den schmalen Straßen des Montsant zusammenfinden, um die Fracht nach Deutschland zu bringen – natürlich kann man auch eine Spedition engagieren… Denkbar ist das alles soweit. es gäbe auch im Montsant genug ebene Flächen, wo man auch maschinell wirtschaften könnte, das Montsant hat ja nicht nur Extremweinbau in Steil-Lagen…

Vergleiche ich den Wein z.B. mit meinen Anexe Syrah oder Anexe Carignan, die ich ja auch im Vorab-Verkauf für unter 10 € anbiete, dann komme ich auf ähnliche Voraussetzungen an die Produktion eines derartigen Weines.  Wäre ich nicht kleiner Vermarkter mit geringen Mengen sondern ein Discounter, der mal locker 50.000 Flaschen davon ordern könnte (die es aber bei angesprochenen Weinen nicht gäbe), ließe sich der Preis pro Flasche auch von 8,50 € runter drücken… Könnte ich dann noch eine Mischkalkulation machen und es mir erlauben, auf eine normal nötige Marge zu verzichten – wegen des Werbe-Bonus, den 10.besten Wein weltweit unters Volk zu bringen, dann sind die 6 € für so eine Flasche schon realistisch…

Es stehen also folgende Denküberlegungen an:

Wie realistisch ist es, den 10. besten Wein weltweit auf dem Tisch zu haben?

Wie schlägt sich ein solcher Wein in unserer Probe gegen 25 weitere Weine aus der Gegend?

Wie ist er qualitativ im Vergleich zu meinen Weinen, die ich für um die 10 € anbieten kann.

Und natürlich was erwartet uns da überhaupt?

 

Das Probenprotokoll zur 2015er Probe wird noch auf sich warten lassen müssen, ich habe ja vorher noch einige mehr Proben vorzustellen (allerdings muss ich erst noch gucken, was ich mir hier und da noch für meine Selektion sichern kann, darf und möchte)…

Aber ich will euch nicht mit dem Clos del Nit auf die Folter spannen…

Hier meine Verkostungsnotiz zu diesem Wein:

Cofama; Clos de Nit; Montsant – ????; 2017 rot

(Fragen nach der Zuordnung, in welchem Ort der DO Montsant dieser Wein abgefüllt wurde, stellen sich leider schon an dieser Stelle. Das Etikett wirft 43141 ES als Postleitzahl aus, dahinter steckt der Ort Vilallonga del Camp nördlich von Tarragona, der aber weit außerhalb der DO Montsant liegt. Hier werde ich wohl nicht umhin kommen, bei der DO-Behörde direkt anzufragen… – auch ob ein Wein mit der Banderole der DO Montsant außerhalb des Gebietes der DO abgefüllt werden darf, in der DOQ Priorat zumindest wäre so etwas nicht erlaubt)

13,5°

Runde 1 (blind): Helles Rot. Offene aromatische Nase nach roter Frucht, klar, sauber und fruchtbetont. Kommt in der Nase zunächst recht intensiv, wird dann aber zunehmend flüchtig. Am Gaumen ebenso eine saubere klare rote Frucht, leicht und fast etwas fragil, wenig Tannin und wenig Mineralik, die Frucht wirkt recht süß, aber banal. Harmonisch und gefällig, aber ohne Tiefe. recht kurzer Nachhall. ich tippe auf den Discounterpiraten. 91+/100 Th. Sehr Guter Wein.

Meine beiden Mitverkoster geben sogar 92,5+/100 bzw. 93+/100

Runde 2 (blind): Zunächst eine opulente vordergründige Nase, die sich aber wie in der ersten Runde dann schnell zurück zieht. Am Gaumen leicht und aromatisch mit einer süßen Frucht, kurz und noch mit leichtem Tannin. Unkompliziert und einfach. Aufgrund des expressiveren Eindrucks kann er leicht zulegen. 92+/100 Th. Sehr Guter Wein.

Meine Mitverkoster erhöhen ebenfalls auf 93+/100 bzw. sogar 95+/100

Tag 3 (offen): Immer noch gut zu trinken. Gefällig und etwas „gemacht“, aber auf gutem Niveau. Kein Schnäppchen, aber seinen Preis von 6 € wert. Ein einfacher unkomplizierter Wein, um in das Gebiet der Weine aus dem Montsant einzusteigen. Vielleicht etwas zu süß für einen trockenen Wein und ohne Tiefe und großen Nachhall. Harmonisch und sauber, aber nichts, was eine Listung unter den 100 besten Weinen der Welt auch nur ansatzweise rechtfertigen würde. Ich kenne unzählige Weine aus dem Montsant-Basis-Preissegment, die ebenso gut sind oder sogar deutlich besser. 91/100 Th. Sehr guter Wein.

Tag 7 (offen): In der Nase heute verschlossener, aber dafür am Gaumen weniger süß und etwas ernsthafter. Leicht und mit schöner Kirschfrucht. Qualitativ insgesamt unverändert. Ein durchaus respektabler kleiner Montsant, der sich durchaus gut trinken lässt und der preislich der Qualität durchaus angemessen ist. Lediglich das Marketing ist schon fast als dreist zu bezeichnen… 91/100 Th. Sehr guter Wein.

(10/2020)

91+; 92+; 91; 91 = 91,25++/100 Th. = 91/100 Th. Sehr Guter Wein.

In der Probe aus 26 Weinen landete er damit auf Platz 26. An viele gute Montsant-Basisweine, die ich kenne, kommt er qualitativ nicht heran. Aber es ist keinesfalls ein schlechter Wein. Man kann ihn gerne mal getrunken haben – er ist für mich auch deutlich über Kochweinniveau, obwohl er natürlich einen sehr guten Kochwein abgeben würde. Aber man kann ihn auch mit einigem Genuss trinken. Für einen Wein aus dem Discounter nicht übel.

Übel ist allerdings das Marketing drumherum… So was könnte man schon bei Foodwatch um den Preis als Werbelüge des Jahres vorschlagen…. Warum kann man einen solchen Wein nicht einfach als das verkaufen, was er wirklich ist – als einen ehrlichen guten Wein aus dem Montsant, der Lust machen kann, mehr aus der Region trinken zu wollen???

 

Wer zum Teufel versteckt sich hinter dem Wine Enthusiast??? Viel Gutes bekommt der dann wohl doch nicht ins Glas, wenn ein solcher Wein dort auf Platz 10 weltweit landet…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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